Der umstrittene Referenzzins Libor verschwindet. Die Nationale Arbeitsgruppe empfiehlt den Schweizer Finanzdienstleistern nun, die Produktentwicklung auf Basis des Saron zu starten. Es gibt aber noch offene Fragen.
Weltweit sind die Akteure des Finanzsystems derzeit stark gefordert. Es geht um die Ablösung des Referenzzinses Libor, der in fünf Währungen existiert und auf dem Verträge mit einem Volumen von umgerechnet 350 Bio. Fr. basieren. Das Thema ist in mehrfacher Hinsicht komplex. Die Finanzdienstleister müssen eine Vielzahl von IT-Systemen an die neuen Referenzsätze – die Währungsräume arbeiten jeweils an einer eigenen Lösung – anpassen. Zudem sind zahlreiche Verträge von der Umstellung betroffen, die länger laufen als bis zum 31. Dezember 2021. Das ist der Tag, ab dem die britische Finanzaufsicht FCA den Libor nicht mehr unterstützen wird.
Wichtiger Entscheid gefällt
Die Ankündigung der FCA kam im Juli des vergangenen Jahres zwar überraschend, sie bietet nun aber die grosse Chance, den manipulationsanfälligen und auf einer dürftigen Datenbasis berechneten Libor durch überlegene Referenzsätze zu ersetzen. In der Schweiz ist man diesbezüglich schon recht weit. Die Nationale Arbeitsgruppe (NAG) für Referenzzinssätze konnte auf wichtigen Vorarbeiten aufbauen und hat bereits im Herbst 2017 den Saron (Swiss Average Rate Overnight) als neuen Schweizer Referenzzins empfohlen.
Der Saron sei 2009 eingeführt worden, erläutern Martin Bardenhewer von der ZKB (Co-Präsident der NAG) und Basil Guggenheim von der SNB (Mitglied der NAG) im Gespräch mit der NZZ. Anders als der Libor, der im Wesentlichen auf Sätzen fusst, die sich Banken gegenseitig für die Leihe von Geldern offerieren, basiert der Saron auf tatsächlichen Transaktionen. Zudem werden inzwischen Instrumente gehandelt, mit denen sich Geschäfte kurzfristig (Futures) und längerfristig (Swaps) absichern lassen.
Der Saron ist viel robuster als der Libor
Mehrere Vertreter der Nationalen Arbeitsgruppe für Referenzzinssätze haben am Mittwoch vor Medienvertretern erläutert, warum der Saron weniger manipulationsanfällig ist, als sein Vorgänger Libor. Da im Saron täglich ein durchschnittliches Handelsvolumen von knapp 5 Mrd. Fr. gehandelt wird, kann auf Expertenschätzungen, die heute die Basis des Libor bilden, verzichtet werden. Die Möglichkeit, den Referenzzins kurz vor dessen Berechnung durch eine gezielte Transaktion in die gewünschte Richtung zu bewegen, werde durch Filter ausgeschlossen. Transaktionen, die ein gewisses Handelsvolumen unterschreiten oder zu stark von den anderen Abschlüssen abweichen, werden dann nicht zur Berechnung herangezogen.
Verworfen wurde die Möglichkeit, solche längerfristigen Zinsen auf Basis von erwarteten Sätzen (Terminsätze) festzulegen. Zu gross sei die Gefahr, zumindest temporär mangels ausreichender Marktvolumina wiederum Daten zu erhalten, die auf ziemlich wackeligen Füssen stehen, sagen Bardenhewer und Guggenheim. Stattdessen lautet die Empfehlung der NAG, sich auf die eintägigen Saron-Sätze abzustützen.
Ein Dreimonate-Saron könne anhand der Sätze der vergangenen oder der künftigen drei Monate berechnet werden – oder auf Basis einer Mischrechnung. Den Banken ist es überlassen, welche Methode sie anwenden. Beim vergangenheitsbezogenen Ansatz weiss der Kunde im Voraus, was er zu zahlen hat, dafür kann sich der Markt vom abgemachten Zins während der Geltungsdauer entfernen. Das Gegenteil gilt für den zukunftsorientierten Ansatz.
Anpassung laufender Verträge
Ebenfalls als gelöst gelten juristische Fragen im Zusammenhang mit den Verträgen, die über den Stichtag Ende 2021 hinaus gelten. Hier habe die Kanzlei Homburger eine Lösung erarbeitet, die gewährleiste, dass die Kunden bei einer Umstellung von Libor auf Saron fair behandelt würden.
Schliesslich erwartet die NAG auch die baldige Lösung eines weiteren Problems. Am Tag der Umstellung muss gewährleistet werden, dass die Vertragspartner möglichst gleichgestellt werden hinsichtlich der bisherigen Situation. Weil sich Libor und Saron nicht entsprechen, muss dazu die Marge um die jeweilige Differenz angepasst werden. Da die Differenz über die Zeit schwankt, stellt sich die Frage, welche Periode zur Berechnung herangezogen werden soll. Die Antwort wird derzeit von der International Swaps and Derivatives Association (Isda) für alle Währungen erarbeitet und soll in wenigen Monaten vorliegen.
Aufgrund der Fortschritte hat die NAG die Akteure am Finanzplatz aufgerufen, damit zu beginnen, Produkte auf Basis des Saron zu entwickeln. Für einmal dürften hier kleinere Anbieter im Vorteil sein, deren IT meist weniger komplex ist. So oder so, der Libor wird bald an Bedeutung verlieren.